Sharif, Sleiman und Ayloul haben in 14 Lebensmonaten ihr Gewicht verzehnfacht. Für
Eltern und Ärzte der Drillinge ein Grund zur Freude. Denn als das Trio im Mai 2023 viel zu
früh auf die Welt kam, hingen die kleinen Leben nur an einem seidenen Faden. Eine
Reportage von Andrea Krogmann
Interessiert beobachtet Sharif Rabab’a, wie sein Finger in der Mulde des Sauerstoffmessgeräts
verschwindet. Dann lacht er Krankenschwester Mary in der leuchtend blauen Tracht mit seinen
ersten sechs Zähnchen und grossen braunen Augen an. Herzschlag und Sauerstoffsättigung des
Strahlemanns sind top. Dabei hatte der kleine Palästinenser aus al-Dhahiriya, einer Kleinstadt
südwestlich von Hebron, alles andere als einen leichten Start ins Leben.
Sharif wird als erster der Drillinge geboren. «Der Älteste und der Kleinste» – 14 Monate später
können Familie und Ärzte darüber scherzen. Beides stimmt noch immer, aber mit 8,4 Kilo ist der
Junge längst auf der sicheren Seite. 800 Gramm wog der Erstgeborene von Amira und Bahjat
Rabab’a, 1’400 Gramm sein kleiner Bruder Sleiman und Schwester Ayloul 1’200 Gramm, heute
mit fast 12 Kilo die stärkste im Bunde. Vor allem Sharifs Zustand sei kritisch gewesen, erinnert
sich die auf Frühgeburten und neonatale Intensivpflege spezialisierte Neonatologin Doktor Amal
Fawadleh.
Guter Ruf und gute Erfahrung
Die Mutter Amira ist in der 33. Schwangerschaftswoche, als die Kinder in Hebron per Kaiserschnitt
fast zwei Monate zu früh zur Welt kommen. Die Risiken einer Frühgeburt waren der 19-jährigen
Hausfrau bekannt, denn Mehrlingsgeburten haben in ihrer Familie Tradition: «Meine Tante hat
Zwillinge. Meine Grossmutter sogar zweimal Zwillinge. Nur Drillinge sind bei uns neu.»
Die Neugeborenen müssen zunächst in Inkubatoren versorgt werden. Aber das staatliche Spital
in Hebron kommt mit seiner Ausstattung bei der Versorgung der Frühchen an seine Grenzen. Die
Ärzte bieten den Eltern an, ihre Babys an die Spezialisten in Bethlehem zu überweisen. «Vor
allem dank meiner Schwiegermutter wusste ich vom Kinderspital Bethlehem, dem Caritas Baby
Hospital», sagt Mutter Amira. Als Kind sei ein Bruder ihres Mannes Bahjat sehr krank gewesen
und wurde dort mehrere Monate lang stationär behandelt. Die Muslimin vertraut dem guten Ruf
der Einrichtung. Per Krankenwagen werden Sharif, Sleiman und Ayloul nach Bethlehem gebracht.
Vater Bahjat ist mit dabei. Mutter Amira muss sich dagegen erst von den Folgen des
Kaiserschnitts erholen und bleibt zuhause.
Das Kinderspital stellt die richtige Diagnose
Im Kinderspital wird festgestellt, dass die kleinen Lungen der Drillinge noch nicht vollständig
entwickelt sind. Die beiden Jungen und das Mädchen werden künstlich beatmet und ernährt, bis
sie schrittweise eigenständig atmen und mit der Flasche gefüttert werden können. Als Sleiman
und Ayloul auf die Neugeborenenstation verlegt werden, kämpft ihr älterer Bruder Sharif weiter
auf der Intensivstation. Doch auch sein Gesundheitszustand stabilisiert sich schliesslich. Nach
gut zwei Monaten können die Drillinge schliesslich das Spital verlassen.
Die Zeit bis zur Entlassung sei nicht einfach gewesen, erinnert sich Mutter Amira. Sechs Wochen
pendelte sie zum Spital. «Wenn ich meine Kinder auf der Intensivstation und später auf der
allgemeinen Station zurückgelassen habe, um nach Hause zu fahren, wusste ich: die Kinder sind
in Sicherheit», sagt Amira. Das Personal kümmere sich «wie Mütter» um ihre Kleinen. Überhaupt
habe man nicht das Gefühl, man sei in einem Spital, findet Amira. «Alles ist so sauber und alle
Mitarbeiter sind so freundlich und fürsorglich.»
Lernen unter fachkundiger Anleitung
Doch nicht aus praktischen oder finanziellen Überlegungen verbrachte Amira Rabab’a die letzten
beiden Wochen, in denen ihre Babys stationär behandelt wurden, selbst im Spital. «Doktor Amal
hat mich bestärkt zu bleiben, damit ich lerne, wie ich die Babys halten, baden oder füttern muss.
Sie hat mich nicht mal nachts schlafen lassen. Wenn die Kleinen Hunger hatten, wurde ich
geweckt, um sie zu versorgen», lacht die Drillingsmutter. Die Neonatologin setzt sehr auf diesen
Lernprozess der Mütter. «So können sie im Spital unter fachkundiger Anleitung schrittweise
lernen, Verantwortung zu übernehmen. Das ist wesentlich einfacher, als plötzlich zuhause mit der
alleinigen Verantwortung für ein Neugeborenes aufzuwachen.»
Bis heute halten die Eltern an der guten Betreuung durch das vertraute Team in Bethlehem fest.
Vor allem bei schwereren Infekten überweisen die Ärzte in Hebron die Drillinge wieder ins
Kinderspital Bethlehem. Die anfangs schwachen Immunsysteme der Kinder machten weitere
Spitalbesuche nötig, manche stationär, bis sich die Gesundheit der Frühchen stabilisiert hat. «Die
Distanz zwischen dem Wohnort und dem Spital ist ein Problem, besonders in diesen Tagen»,
sagt Ärztin Fawadleh mit Blick auf die vielen Strassensperren, die seit Beginn des Gazakriegs
am 7. Oktober 2023 die Fahrt nach Bethlehem erschweren. Aber der Kontakt mit dem Spital sei
auch auf die Distanz gut, so die Eltern. Viele Konsultationen und Nachbetreuungen können per
Telefon und über Videos erfolgen.
Die Ambulanz versorgt auch nach der Entlassung
Auch heute beim Kontrollbesuch nimmt Dr. Amal Fawadleh sich viel Zeit, fragt Mutter Amira nach
dem Alltag mit den Kindern, gibt Ernährungstipps und andere Empfehlungen. Sharif Rabab’a
schäkert unterdessen mit seiner Ärztin. Ohne Scheu greift er nach dem Spitalausweis, der an
einem roten Band um Fawadlehs Hals hängt. «Sharif ist sehr intelligent und sozial, seine
Interaktionen mit der Welt um ihn sind gut», sagt die zufriedene Ärztin. Der kleine Kämpfer habe
«sehr gut aufgeholt».
Überhaupt entwickeln sich die Drillinge hervorragend, so Fawadleh. Einer nach dem anderen
landet auf der Behandlungsliege, wo sie Herz und Lunge prüft, Reflexe testet und das Wachstum
der Kinder begutachtet. Immer während eines der Kinder untersucht wird, kümmert sich Vater
Bahjat um die zwei anderen Energiebündel, die im kindgerechten Spielbereich in der
Eingangshalle um die Wette wuseln.
Dr. Fawadleh notiert die beobachteten Fortschritte, aber auch problematische Punkte im
Untersuchungsbericht. Erstgeborener Sharif etwa sollte seinen Fuss von einem Orthopäden
ansehen lassen, so die Empfehlung der Ärztin. Seine Milchallergie haben das Team und die Eltern
bereits identifiziert. «Ich habe einen entsprechenden Bericht an das Gesundheitsministerium
geschrieben, damit die Familie die Spezialnahrung kostenlos zur Verfügung gestellt bekommt»,
sagt Amal Fawadleh.
Selbstbewusst durch gute Vorbereitung
Das Insistieren der Ärztin zahlte sich aus. «Als wir mit den Babys nach Hause kamen, war meine
Schwiegermutter zu ängstlich, die Drillinge zu baden. Sie hat schon viele Kinder grossgezogen,
aber meine waren so winzig», erinnert sich die Erstlingsmama. «Ich dagegen war selbstbewusst,
weil ich das im Caritas Baby Hospital gelernt habe.» Der selbstbewusste Umgang Amiras mit dem
Trio hat sich längst auf den Rest der Familie übertragen. Heute, erzählen die Eltern, schlafen die
beiden Jungs im Wechsel bei der Oma. Auch die Nachbarschaft unterstützt das junge Paar nach
Kräften.
Das Kinderspital Bethlehem hat den Drillingen nicht nur das Leben gerettet, sind Amira und Bahjat
Rabab’a überzeugt. Die fundierte medizinische und soziale Unterstützung hat ihnen den
schwierigen Start ins Familienleben so leicht wie möglich gemacht. «Das Spital ist vielleicht weit
weg», sagt der Vater, «aber letztlich spielt die Entfernung keine Rolle, wenn es um die Gesundheit
der Kinder geht.» Und da gebe es nun mal «nichts Besseres als das Kinderspital Bethlehem.»
Das Paar ist glücklich mit seiner Entscheidung, ihr dreifaches Elternglück in die Hände der
Bethlehemer Spezialisten gelegt zu haben. Die Freude an den sich immer besser entwickelnden
Kindern ist ihnen anzumerken.
Spenden
Kinderhilfe Bethlehem
IBAN CH17 0900 0000 6002 0004 7
www.kinderhilfe-bethlehem.ch
Der Verein Kinderhilfe Bethlehem mit Sitz in Luzern finanziert und betreibt das Kinderspital Bethlehem
im Westjordanland seit mehr als 60 Jahren. Zehntausende Kinder und Babys werden jährlich stationär
oder ambulant behandelt. Die Eltern sind eng in den Heilungsprozess ihrer Kinder eingebunden und
das Spital verfügt über einen gut ausgebauten Sozialdienst. Das Kinderspital entwickelt sich stets
weiter. Es unterhält u.a. die einzige pädiatrische Intensivmedizin im Westjordanland und bietet
pädiatrische Subspezialitäten an. Im Oktober 2025 ist die Eröffnung einer Tageschirurgie geplant.
Das Spital ist ganz unter lokaler Führung und bietet 250 Mitarbeitenden ein Auskommen. Es stärkt
das palästinensische Gesundheitswesen und ist führend bei der Ausbildung von Ärztinnen, Ärzten und
Pflegenden in der Kindermedizin. Nur dank Spenden kann das Kinderspital Bethlehem seine Aufgaben
erfüllen und Kinderleben retten.