Besetzung:
Orchestre de la Suisse Romande, Dirigent John Fiore
Mise en scène & dramaturgie | Jossi Wieler & Sergio Morabito |
Reprise de la mise en scène | Magdalena Fuchsberger |
Décors et costumes | Anna Viebrock |
Lumières | Mario Fleck |
Norma | Alexandra Deshorties |
Pollione | Rubens Pelizzari |
Adalgisa | Ruxandra Donose |
Oroveso | Marco Spotti |
Clotilda | Sona Ghazarian |
Flavio | Migran Agadzhanyan* |
Flavio | Daniel Kluge (23 juin) |
Chœur du Grand Théâtre Direction Alan Woodbridge | |
Orchestre de la Suisse Romande | |
*Membre de la Troupe des jeunes solistes en résidence |
Zur Handlung
Norma, eine gallische Oberpriesterin, kann als einzige den Zeitpunkt bestimmen, wann die Gallier endlich die römische Besatzungsmacht angreifen sollen. Da sie aber im geheimen mit dem Befehlshaber der römischen Armee – Pollione – liiert ist und zwei Kinder hat mit ihm, zögert sie den Zeitpunkt hinaus und plädiert für Frieden. Pollione hat sich aber mittlerweile in eine andere Frau verliebt, in die Novizin Adalgisa, und will diese mit nach Rom nehmen. Norma schwört Rache, als sie davon erfährt. Sie will ihre Kinder töten, kann es aber nicht und fordert Adalgisa auf, diese mit nach Rom zu nehmen. Adalgisa ihrerseits versucht, Norma und Pollione wieder zusammen zu führen. Pollione widersetzt sich aber, darauf gibt Norma das Zeichen zum Kampf gegen die Römer. Sie lässt einen Scheiterhaufen errichten für eine Priesterin, welche ihr Keuscheitsgebot gebrochen hat. Nicht für Adalgisa ist er bestimmt, sondern für sie selber. Nachdem ihr Vater ihr versprochen hat, sich um die Kinder zu kümmern, geht sie in den Tod. Polliones erkennt die Grösse Normas, seine Liebe für sie lebt wieder auf und er folgt ihr in den Tod.
Soviel in Kürze zur Handlung der Oper „Norma“ von Vincenzo Bellini, welche am Freitagabend im Grand Theater Genève Première feierte. Inszenierung und Dramaturgie Jossi Wieler und Sergio Morabito, Bühnenbild und Kostüme Anna Viebrock.
Rezension:
Ein einziger Schauplatz
Wer eine traditionelle Aufführung erwartet hat, sah sich enttäuscht, und das schienen doch einige gewesen zu sein nach den Buh-Rufen zu schliessen beim Schlussapplaus. Andere wiederum waren hell begeistert. Die Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito ist ungewöhnlich, aber herrlich entstaubt und spannend. Sie siedeln das Geschehen an in die Zeit der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen. Der Schauplatz: Ein relativ schäbig wirkender Kirchenraum mit ein paar Bankreihen. Abgetrennt durch ein niedriges Gitter im vorderen Teil der Bühne der Altarraum. Linkerhand die Sakristei, der winzige Wohnbereich Normas und ihrer Kinder, symbolisch für deren heimliches Leben. Die ganze Handlung spielt in diesem einen Raum. Der Altarraum wird nicht oft betreten, und wenn, dann hat das meist mit der Verletzung von Normas Privatsphäre zu tun, mit Übergriff, Entweihung oder Entehrung. Es gibt unzählige symbolhafte Momente und Anspielungen, welche die Spannung erhalten und den Zuhörer zum Mitdenken und Mitfühlen anregen. Einige Szenen waren atmosphärisch so dicht, dass der Zwischenapplaus mitunter störend wirkte.
Anna Viebrocks Kostüme sind der Epoche nachempfunden: Die Gallier tragen ältlich wirkenden Anzüge, abgegriffene Aktentaschen und sie stützen sich teilweise auf. Das gibt ihnen den Anschein, als wären sie müde, verhärmt und desillusioniert. Die Novizinnen kommen in unauffälligen, knielangen Kleidern daher, Norma selber trägt Schwarz, einzig beim Schneiden der Mistel schlüpft sie in eine Robe, die einem liturgischen Kleid nachempfunden ist. Pollione seinerseits trägt, ganz im Sinne seines Machotums, einen Ledermantel, darunter einen silbrigen Anzug. Das hat etwas Bedrückendes und erzeugt ein realitätsnahes Bild der Zeit, in welche das Geschehen angesiedelt ist.
Die Darsteller überzeugen durchwegs: Allen voran Norma (Alexandra Deshorties) in ihrer schlichten Ernsthaftigkeit, in ihrer Liebe, Leidenschaft, Verzweiflung und Rache. Adalgisa (Ruxandra Donose) schwankt zwischen Naivität und Verführung und spielt dies sehr überzeugend, Pollione (Rubens Pelizzari) ist ein arroganter, selbstverliebter Macho und Casanova. Oroveso (Marco Spotti) hat etwas Unnahbares, eine gewisse Ernsthaftigkeit, kommt kerzengerade daher, aber vom Leben gezeichnet.
Belcanto vom Feinsten
Und dann ist da Bellinis Musik. Das Orchestre de la Suisse Romande unter John Fiore sorgte durchwegs für einen wunderbar ausgewogenen Klangteppich. Die Ouvertüre hatte etwas Drängendes und war doch leichtfüssig, fast spielerisch. Alexandra Deshorties als Norma beherrschte ihre ausdrucksstarke Stimme mühelos, nuancierte und modellierte, nur in den ganz hohen Partien kam sie teilweise etwas laut und schrill daher. Ruxandra Donose war ihr als Adalgisa eine absolut ebenbürtige Partnerin, Rubens Pellizari (Pollione) hat den richtigen Schmelz, ein kräftiger, sonorer Tenor und Marco Spotti als Oroveso (Bass), immer mit dieser Unnahbarkeit, aber stimmlich so überzeugend wie die anderen. Einzig Sona Ghazarian als Clotilde schien ihre Stimme nicht wirklich zu finden an diesem Abend. Zu erwähnen auch der exzellente Chor (Leitung Alan Woodbridge), der für hochemotionale Momente sorgte.
Sängerinnen und Sänger, Chor, Dirigent und Orchester ernteten viel Applaus aber wie eingangs erwähnt, wurden die beiden Regisseure und die Bühnenbildnerin mit Buh-Rufen empfangen.
Wer sich aber auf diese Inszenierung eingelassen hat, sich mitnehmen liess auf diese Reise, der verbrachte spannende zweieinhalb Stunden und verliess das Theater in angeregter Dikussion.
Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: www.geneveopera.ch
Weitere Aufführungen: 18., 21., 23., 26., 29. Juni 2017; 1. Juli 2017
https://www.geneveopera.ch/