Informationen der Caritas

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Syrische Flüchtlinge

 

Mehr Mut, Frau Sommaruga!

 

Neun Millionen Menschen aus Syrien sind auf der Flucht. Rund 60 000 Flüchtlinge sind im ersten Halbjahr auf Lampedusa nach einer gefährlichen Überfahrt angekommen. Bis Ende Jahr werden mehr als 100 000 Menschen in Italien erwartet. Es ist höchste Zeit, dass die Schweiz ihr Engagement erhöht.

 

Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte am informellen Treffen des Justiz- und Innenministerrats (JI-Rat) am 8. Juli 2014 in Mailand gefordert, die Länder Europas müssten offen sein für aussergewöhnliche Massnahmen. Italien könne die Situation nicht alleine bewältigen. Auf die Position der Schweiz befragt, macht sie jedoch lediglich auf die – spärlichen – Massnahmen zur Aufnahme von Flüchtlingen aufmerksam. Sie betont die vorübergehenden Visa-Erleichterungen für syrische Angehörige im letzten Jahr und vergisst zu erwähnen, dass diese „Erleichterungen“ nach lediglich zwei Monaten wieder abgeschafft wurden mit dem Argument, die Aufgabe sei nun erfüllt und die wirklich Schutzbedürftigen hätten in der Zwischenzeit ein Visum beantragt. Frau Sommaruga verweist schliesslich auf das dreijährige Pilotprogramm mit insgesamt 500 anerkannten Flüchtlingen. Ein konkretes neues Programm sei derzeit nicht geplant. Diese kleinmütigen Zögerlichkeiten aus dem Polizei- und Justizdepartement dürfen nicht als humanitär motivierte Asylpolitik verstanden werden.

 

Nachdem die Asylgesuche in den letzten Monaten gesunken sind, steigen sie zur Zeit wieder. Was auch zu erwarten war, angesichts der aktuellen Krisen und Kriege in Syrien und Irak. Bund und Kantone betonen mancherorts die knappen Unterkünfte. Bilder von übervollen Asylunterkünften machen die Runde. Um die Relationen etwas zu behalten, ist es wichtig, sich vergangene Flüchtlingssituationen zu vergegenwärtigen, die die Schweiz souverän gemeistert hat. Während der Kosovo-Krise, als mehrere Hunderttausend Menschen gewaltsam vertrieben wurden, hat die Schweiz 53 000 Menschen aus der Bundesrepublik Jugoslawien und insbesondere aus dem Kosovo aufgenommen.

 

Die heutigen knappen Unterkünfte sind das Ergebnis politischer Entscheide: Unter dem früheren Bundesrat Christoph Blocher wurden die Kantone angehalten, ihre Kapazitäten auf eine gesamtschweizerische Anzahl von jährlich 10 000 Gesuche auszurichten. Flüchtlingskatastrophen, wie die gegenwärtige, hatten in diesem Denken keinen Platz. Vielmehr strich der Bund die Sockelpauschale, welche die Kantone zur Bildung von Kapazitätsreserven erhielten, und ersetzte sie durch eine Globalpauschale pro Asylbewerber und Tag. Die Kantone gingen mit ihren (Unterkunfts-) Reserven unterschiedlich um. Während der Kanton Zürich langfristig plante und darum zum jetzigen Zeitpunkt keine Probleme mit Unterkünften hat, sieht dies etwa in den Kantonen Thurgau oder Aargau anders aus.

 

 

Ungarnkrise und Balkan-Krieg – die Schweiz hat entschlossener reagiert

 

Die Kläglichkeit und Unentschlossenheit der derzeitigen Schweizer Flüchtlingspolitik wird vollends sichtbar, wenn man noch weiter in die Vergangenheit, zum Beispiel auf den Umgang mit Ungarnflüchtlingen, zurückblickt. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement berichtete am 7. März 1957, in welchem Tempo und in welchen Dimensionen die Aufnahme ungarischer Flüchtlinge verlief: Am 5. November 1956 richtete der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge einen dringenden Appell an zahlreiche Staaten, Flüchtlinge aufzunehmen. Nur einen Tag später beschloss der Bundesrat, 2000 Flüchtlinge zu übernehmen, eine Woche später erhöhte er die Zahl auf 4000, und am 27. November – also nur drei Wochen später – beschloss er, weitere 6000 Flüchtlinge für einen vorübergehendem Aufenthalt in der Schweiz aufzunehmen. Bis im Januar 1957 waren es 11 000 Flüchtlinge.

 

Natürlich war dies die Zeit des Kalten Krieges, als jeder dem kommunistischen System entkommene Flüchtling vom Westen mit Wohlwollen aufgenommen wurde. Wenn also auch nur bedingt vergleichbar, springen zwei Voraussetzungen dennoch ins Auge: Erstens reagierte die Schweiz damals unverzüglich – dies im Gegensatz zur Syrienkrise, von der wir seit bald drei Jahren wissen; zweitens gab es die unbürokratische Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden, um Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Der Bericht zur Ungarnkrise betont denn auch das volle Verständnis der Behörden der Kantone und Gemeinden, die durch ausserordentliche Anstrengungen mithalfen, die Unterbringungsaufgabe zu lösen. Und das UNO Hochkommissariat bezeichnete es 1957 als Wunder, dass es der Schweiz gelungen sei, „die 11 000 aufgenommenen ungarischen Flüchtlinge innert derart kurzer Zeit einzugliedern.“

 

 

5000 Kontingent-Flüchtlinge aufnehmen

 

Auch heute ruft das UNO-Flüchtlingswerk UNHCR die Länder dazu auf, in den nächsten zwei Jahren mindestens 100 000 Syrerinnen und Syrer aufzunehmen. Die Schweiz habe zwar pro Kopf eine hohe Anzahl Asylsuchende, vergleiche man aber das Pro-Kopf-Einkommen in der Schweiz mit der Anzahl der Flüchtlinge, hinke sie im Vergleich mit anderen Ländern „sehr hinterher“, lässt sich Susin Park, die Leiterin der Schweizer Vertretung des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, diplomatisch vernehmen.

 

Die Caritas hat bereits im April dieses Jahres in einem Offenen Brief an Bundespräsident Didier Burkhalter die Aufnahme von mindestens 5000 Kontingent-Flüchtlingen gefordert. Dazu eine Aufstockung der bisherigen Zahlungen an die humanitäre Hilfe auf jährlich 100 Millionen. Notwendig ist auch die Wiedereinführung von Asylgesuchen auf Schweizer Botschaften. Dies würde Flüchtende in vielen Fällen vor gefährlichen Überfahrten – beispielsweise nach Lampedusa – bewahren.

 

Marianne Hochuli, Leiterin Bereich Grundlagen, Caritas Schweiz

E-Mail mhochuli@caritas.ch, Tel. 041 419 23 20

 

Evaluation zeigt Auswirkungen des Caritas-Projekts mit osteuropäischen Betreuerinnen

 

Modell für faire Pendel-Migration?

 

Seit 2012 setzt Caritas Schweiz osteuropäische Betreuerinnen und Betreuer in Schweizer Privathaushalten ein. Die von der Basler Sozialwissenschafterin Claudia Heinzmann durchgeführte Evaluation zeigt die meist positiven Auswirkungen des Projekts „In guten Händen“ auf die Betreuerinnen und ihre Familien und erste Folgen für die Entwicklung in Osteuropa. Die Evaluation wurde von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) unterstützt.

 

Bisher leisteten 30 Personen einen Einsatz in der Schweiz. Ihre grosse Zufriedenheit zeigt sich gemäss der Evaluation an drei Merkmalen: Zum Ersten gefällt ihnen der Versicherungsschutz und die Möglichkeit, nach dem dreimonatigen Einsatz in der Schweiz an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Zum Zweiten schätzen sie die Begleitung vor, während und nach dem Einsatz: Den vorbereitenden Sprachkurs, die Unterstützung vor der Abreise und die Begleitung durch die Caritas-Einsatzleitung in der Schweiz. Für das Sicherheitsgefühl ist von grosser Bedeutung, dass sie bei einer Caritas-Partnerorganisation angestellt sind und allfällige Probleme in ihrer Muttersprache bereden können. Per Skype unterhalten sie sich regelmässig mit ihrer Familie zuhause oder treffen sich mit den gleichzeitig in der Schweiz im Einsatz stehenden Kolleginnen und Kollegen. Zum Dritten beurteilen sie die geregelte Arbeitszeit und das persönliche Verhältnis zu den betreuten Menschen als sehr gut.

 

Schwierig sind hingegen die ersten Wochen, wenn alles neu ist und die Verständigung wegen der Sprache oder etwa aufgrund der Demenz der zu betreuenden Person anspruchsvoll ist. Die Trennung von zuhause ist besonders in den ersten Wochen und an wichtigen Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern eine Belastung. Es ist auffallend, dass die Betreuerinnen und Betreuer sich sehr engagieren und unbedingt eine gute Leistung erbringen wollen. Probleme schildern sie meist erst nach mehrmaligem Nachfragen und nur gegenüber einer Vertrauensperson.

 

Die Hälfte der im Projekt beteiligten Betreuerinnen und Betreuer hat Kinder, die während ihrer Abwesenheit meist von Familienangehörigen betreut wurden. Einige Väter übernahmen dadurch zusätzliche, für sie ungewohnte Aufgaben in Familie und Haushalt. Nach der Rückkehr nahmen die Beteiligten ihre angestammte Rolle wieder ein. Im Gegensatz zu einer dauerhaften Arbeit im Ausland ist die zeitlich limitierte Pendel-Migration für Familien auf jeden Fall von Vorteil, weil die Eltern ihren Lebensmittelpunkt im Herkunftsland behalten.

 

 

Förderung oder Reduktion der Abwanderung?

 

Neben dem hohen Verdienst haben die Betreuerinnen noch diverse andere Motivationen für einen zeitlich beschränkten und sicheren Arbeitseinsatz in der Schweiz. Sie sind interessiert, eine neue Sprache zu lernen und richtig zu vertiefen, sind neugierig auf Leben und Kultur in einem westlichen Land und können Reisewünsche erfüllen, die sie sich sonst niemals leisten könnten. „Der erste Grund war das Geld für eine Zentralheizung, die kostet etwa 4000 Euro. Und der zweite: Ich war noch nie im Ausland“, sagt eine 31-jährige Frau mit zwei Kindern. Gerade für Frauen bedeutet die Arbeit im Ausland auch eine Selbstbestätigung, die sie stolz macht und ihr Selbstvertrauen stärkt. Es kommt ihnen gelegen, dass sie dabei in einem ihnen bekannten Feld arbeiten können.

In Bezug auf die Abwanderung zeigen sich drei Tendenzen: Eine stabilisierende Wirkung, denn es gab im Gegensatz zu früher kaum migrationsbedingte Kündigungen. Eine lenkende Wirkung für Personal, das früher zum Teil unter prekären Bedingungen im Ausland bearbeitet hat. Sie profitieren vom Versicherungsschutz und der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz. Für einen Teil der Betreuerinnen und Betreuer eröffnete das Projekt aber überhaupt erst die Möglichkeit, als Care-Migrantinnen zu arbeiten. Das Angebot erlaubt ihnen, für sich und ihre Familien einen im Vergleich zu Rumänien sehr hohen Lohn zu erarbeiten, um damit Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen, die sie ohne das Geld nicht hätten realisieren können.

 

Schliesslich sind beim Caritas-Partner in Rumänien durch das Pilotprojekt bis jetzt 16 permanente Arbeitsplätze in der ambulanten Pflege und in der Betreuung ältere Menschen neu geschaffen worden.

 

 

Gutes bekommen und Gutes tun – neue Art der Entwicklungszusammenarbeit

 

Die Caritas-Partner in Osteuropa sind daran interessiert, ihr Pflegepersonal nicht dauerhaft zu verlieren. Mit der Zusammenarbeit verfolgen sie aber auch das Ziel, ihre Dienstleistungen in der Spitexpflege weiterzuentwickeln. „Sie lernen viele Dinge zu schätzen, über ihre Arbeit in Rumänien, ihre Arbeit in der Schweiz“, sagt eine Teamleiterin über die nach Hause kommenden Kolleginnen. Sie hätten eine andere Perspektive, Ideen, Energie.

 

Die in der Schweiz betreuten Menschen erhalten nicht nur eine aussergewöhnliche Dienstleistung, sondern finanzieren über ihre Betreuungspauschale auch die Weiterbildung des Personals im Herkunftsland. Die Mittel dienen für den langfristigen Aufbau von Fachkompetenz für Wundpflege, Demenzbetreuung und Palliative Pflege. Diese gegenseitige Entwicklungszusammenarbeit ist neuartig und nachhaltig.

 

Aus der Zusammenarbeit zwischen Caritas Schweiz und Caritas Alba Iulia haben sich zudem in Rumänien zwei neue Entwicklungen ergeben: Ein Projekt für die Hilfe zuhause und für betreutes Wohnen. Wie in der Schweiz ist auch dort die Betreuung älterer, vor allem demenzkranker Menschen, für die Angehörigen anspruchsvoll. Durch das neue Angebot werden sie entlastet und wissen ihre Liebsten dennoch gut betreut, auch wenn sie tagsüber arbeiten müssen.

 

Link zum Summary: www.caritas.ch/evaluation-pilotprojekt

Dieser Beitrag wurde am von unter schweizweit veröffentlicht.

Über Leonard Wüst

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