Luzerner Theater, In 80 Tagen um die Welt Ein Brass-Musical nach Jules Verne, 24. Mai 2017Première besucht von Léonard Wüst

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Luzerner Theater, In 80 Tagen um die Welt, Foto Ingo Höhn

Produktionsteam und Besetzung: Inszenierung: Martin Berger Bühne: Florian Barth Kostüme: Sabine Hartzsch Licht: Marc Hostettler Einstudierung Chor: Mark Daver Dramaturgie: Brigitte Heusinger Video-Design: Daniel M.G. Weiss

Mit: Robert Maszl (Phileas Fogg), Jason Cox (Passepartout), Sarah Alexandra Hudarew (Aouda), Yves Wüthrich (Dr. Fix) Chor des LT, Lucerne Brass Ensemble

Rezension:

Das LT begibt sich auf Weltreise – frei nach Jules Verne: Professor Phileas Fogg baut an einer Zeitmaschine – doch die Fachwelt lacht ihn nur aus, bezeichnet ihn gar als Hinterwäldler! Ein Vorwurf, den Fogg nicht auf sich sitzen lassen kann. Wutentbrannt wettet er, mit seinem Assistenten Passepartout in achtzig Tagen um die Welt und durch die Zeit zu reisen und mit massenhaft Beweisfotos und Filmmaterial zurückzukehren. Als er feststellen muss, dass seine Maschine tatsächlich nicht funktioniert, ist guter Rat teuer. Zum Glück gibt es seinen gerissenen Assistenten, der ihn retten kann! Passepartout braucht dafür nur eine Kamera und eine gehörige Portion Aberwitz. Denn: Da haben wir den Suez-Kanal – Fogg und Passepartout posieren davor – aber Achtung, ähnelt er nicht der Reuss? Und wie kommt der Pilatus in die Rocky Mountains. Erstaunlich. Doch eigentlich auch wieder nicht, denn auch hier zeigt es sich erneut: Luzern ist einfach international! Alles beginnt schon vor der Aufführung. Da flanieren zwei uniformierte, Ray Ban bebrillte Guards durchs Foyer, Handschellen an ihren Gurten befestigt. Da die beiden aber weder als Polizisten, noch als Security Angehörige angeschrieben sind, sondern  unbeschriftete schwarze Overalls tragen, rätselt man, was die hier wollen. Einige neugierig mutige wagen sogar, sie anzusprechen, um in Erfahrung zu bringen, welche Funktion ihnen obliegt. Aber nichts Genaues erfährt man nicht. Auch einige charmante, rot gekleidete Damen tauchen plötzlich auf und versuchen, die Besucher auf einen, in Luzern stattfindenden Erfinderkongress aufmerksam zu machen. Informationen zu eben diesem sind im Foyer genügend zu finden. Dies in Form von Plakaten mit Foto und Biografien von Erfindern, Flyern mit aufgeführtem Tagesprogramm, Referenten usw. Im Verlauf der anschliessenden Aufführung auf der Bühne wird einem, als diese Figuren auf der Szene auftauchen klar, dass dies bereits Teil der Produktion war. Diese startet nämlich mit der Eröffnung dieses Erfinderkongresses durch Professor Dr. Fix, der dann diese wertvolle, deshalb von den beiden Guards auf die Bühne gebrachte „Carl Roman Abt Medaille“ für die Erfindung des Jahres, einer digital gesteuerten mechanischen Uhr, an Frau Dr. Aouda überreichen will. Dies, so Fix, sei das erste Mal, dass diese Ehre einer Frau zuteilwerde. Dies ruft aber Phileas Fogg und dessen Begleiter Passepartout auf den Plan, die den Preis für sich reklamieren, hätten sie doch, mit der Konstruktion ihrer Zeitmaschine, eine weit bedeutendere Erfindung gemacht. Dagegen wehrt sich natürlich die Geehrte und das richtige Theater kann beginnen. Dieses spielt sich dann, gekonnt inszeniert, auf verschiedenen Ebenen ab. Auf der Bühne mit der Brass Band, relativ wenig Requisiten und vornehmlich Prof. Dr. Fix, hinter einem Vorhang agieren die übrigen Darsteller, werden dabei gefilmt. Diese Sequenzen werden über eine bühnenhohe Leinwand zugespielt. So erleben wir die furiose Reise um die Welt im roten Ballon. Die beginnt in London, führt uns ins Rom in der Zeit Julius Caesars (brillant gespielt von Passepartout Jason Cox). Erheiternde Dialoge auf Lateinisch zwischen den beiden Weltenbummlern, bis sie, so Fogg, mit ihrem Latein am Ende waren. Fehlen durfte natürlich nicht ein Kampf im Kolosseum, der Gladiatorenarena, diesen bestritt Gladiator Phileas Fogg (Robert Maszl in Höchstform) zeitgemäss in der filmischen Kulisse der „Swissporarena“ gegen das Maskottchen des FC Luzern, den Luzerner Löwen. Dann gings weiter, Richtung Mailand oder Madrid (frei nach Lothar (Loddar) Matthäus Hauptsache Italien), gelandet sind sie aber in einer arabischen Nacht, mit Bauchtanz und allem was dazu gehört.

Luzerner Brassensemble

Die Reise immer untermalt mit den passenden Melodien der Brass Band (von James Bond Thema bis zu der Hauptmelodie aus Indiana Jones). Die Reise ging weiter im Orient Express inklusive Verführungsversuche von Fogg durch eine aufgetakelte blonde russische Edelnutte (auch hier Jason Fox sehr wandelbar). Der Zug raste zwar auf eine defekten Viadukt zu, stürzte aber auf wundersame Weise nicht ab, sodass der „around the world trip“ weitergehen konnte ins nächste Abenteuer in der Mongolei im Zeitalter von Dschingis Khan, Fogg wurde auch hier von weiblichen Groupies umworben, landete schliesslich in Ulan Bator in einem Edelpuff, wurde nach Strich und Faden verwöhnt, gekrönt vom finalen Säbeltanz (Aram Chatschaturjan), hervorragend auch hier die Luzerner Brass Band. Dann gings weiter, diesmal in Begleitung von Dr. Aouda zum „Rumble in the Jungle“, aber nicht nach Zaire, sondern Indien im Jahr 1873, wo Witwen, zusammen mit ihren verstorbenen Männern verbrannt werden. Unglücklicherweise landete auch die Erfinderin Aouda auf dem Scheiterhaufen, dazu intonierten die Musiker „Ring of fire“, gesungen von Fogg und Passepartout, dies jetzt aber auf der Bühne. Nun überschnitten sich alle Ebenen, spielte sich alles gleichzeitig überall ab und wir landeten schliesslich in Spanien 1550 nach Christus. Professor Fix und die zwei Guards legten eine kesse Sohle aufs Parkett, bevor sich, hinter dem Vorhang Aouda und Passepartout in  Urbania, dem Zukunftsland des Jahres 2300 wiederfanden. Aus diesem wollten die anderen sie wieder in die Gegenwart zurückholen, was sich aber als fast unmöglich erwies. Fix (der überragende Yves Wüthrich) machte sich auf eine aberwitzige Jagd nach Aouda, Fogg und Passepartout, filmisch festgehalten führte diese durch fast alle Räumlichkeiten des Theaters, den Theaterplatz, vorbei an verdutzten Passanten, retour durch das Treppenhaus, atemlos zurück auf die Bühne, belohnt mit langem Szenenapplaus des begeisterten Publikums. Diverse „Einblender“ (u.a. die Vernaschung von Dr. Fix durch die russische Edelnutte in der Theaterküche), das Wiedersehen in einem Raum mit allen, von Jason Cox verkörperten Figuren (Julius Caesar, Dschingis Khan usw.), trieb die Satire auf die Spitze, machte einem auch den technisch enormen Aufwand bewusst. Alle waren dann auf dem Set versammelt, ausser der Professor, der sich fürchterlich aufregte, weil er scheinbar gefangen, im Hintergrund an die Wand projiziert war. Fogg und Passepartout gesellten sich dann visuell zu ihm, packten ihn und schleuderten ihn durch den papierenen Vorhang auf die Bühne zum grandiosen Finale mit allen Protagonisten, bei dem sie „That`s Life“ sangen und tanzten, bejubelt vom begeisterten Auditorium. Hier zeigte sich auch die einzige weibliche Hauptdarstellerin, Sarah Alexandra Hudarew als Frau Dr. Aouda, ihren männlichen Mitperformern mehr als gewachsen und endlich kamen auch all die schönen Stimmen richtig zur Geltung, begleitet von den topmotivierten Musikern der Brass Band. Zum Abschluss gab es noch einen silbernen „Lozärner Fötzeliregen“ und sehr viel stürmischen langanhaltenden Applaus, der auch noch das Team im Hintergrund auf die Bühne brachte.

Fazit: eine sehr gelungene, auch sehr anspruchsvolle Inszenierung, präsentiert mit viel Spielfreude, grossem Sprachwitz von einem bis in die Fingerspitzen motovierten Team, auf und hinter der Bühne.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Höhn:

fotogalerien.wordpress.com/2017/05/23/luzerner-theater-in-80-tagen-um-die-welt-ein-brass-musical-nach-jules-verne/

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch

www.lucernebrassensemble.ch/

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