Produktion und Besetzung:
Dirigent Diego Fasolis, Staging Frederic Wake-Walker,
Sets and costumes Antony McDonald, Lights Lucy Carter
Podestà Kresimir Spicer, Sandrina Hanna-Elisabeth Müller, Arminda Anett Fritsch, Belfiore Bernard Richter, Ramiro Lucia Cirillo, Serpetta Giulia Semenzato, Nardo Mattia Olivieri
Rezension:
Der Traum eines jeden Opernfans, der Besuch einer ebensolchen im „Teatro alla Scala“ in Mailand. Am 23. Oktober war es für mich endlich soweit. Nachdem die ersten drei Tage meines Aufenthaltes in Mailand nicht grad unter einem günstigen Stern standen, freute ich mich umso mehr auf den ersten Abend im „Teatro alla Scala“, dem weltberühmten „Tempel der Oper“. Da es sich ja äusserst gut macht, einen Tempel in Begleitung einer Göttin zu betreten, hatte ich im Vorfeld dafür gesorgt, dass mir eine ebensolche, in der Person von Esther Ottiger, Frau eines guten Kollegen, zur Seite stand. Nach dem typisch italienischen Nachtessen in einem der nahegelegenen Restaurants, begaben wir uns frühzeitig zum Kassabereich im linken Gebäudeteil. Schon fast nicht mehr überraschend, dass ich auf der Presseliste nicht aufgeführt war. Glücklicherweise hatte ich die Akkreditierungsbestätigung (für 2 Personen) ausgedruckt, sodass wir die Tickets nach einigem hin und her und diversen Telefonaten ausgehändigt erhielten und uns ins Foyer zur Abholung eines Programms begaben. Fast ehrfürchtig betraten wir dann die heiligen Hallen, den grossen Saal der „Scala“, nahmen Platz auf unseren Plätzen der besten Kategorie. Wir waren bei weitem nicht die einzigen „Frischlinge“ wie ein Rundumblick bestätigte. Bald ertönten auch schon die ersten Takte der Ouvertüre durch das, unter der Leitung von Diego Fasolis auf historischen Instrumenten spielenden, Orchestra del Teatro alla Scala.
Verwirrende, verworrene Irrwege der Liebe im passenden Bühnenbild
Dann Vorhang auf: ein wunderbar ästhetisches Bühnenbild: eine Art Patio in einem feudalen herrschaftlichen Haus. Der Diener Nardo, der die vermeintliche Gärtnerin Sandrina (die in Wirklichkeit die Gräfin Violante Onesti ist) begleitet, ist selbst Gärtner und kümmert sich um Kakteen. Er ist verliebt in das Dienstmädchen Serpetta, die von ihm jedoch nichts wissen will, weil sie ein Auge auf Don Anchise (Il Podestà) geworfen hat. Dieser hat eine Nichte, Arminda, welche er mit dem Conte Belfiore vermählen will. Letzterer hatte in einem Anflug von Leidenschaft die Gräfin Onesti tätlich angegriffen. Da er annahm, sie ermordet zu haben (!), floh er. „Sandrina“ versucht (aus Rache oder aus Liebe?), seine Spur aufzunehmen und hat sich deswegen als Gärtnerin einstellen lassen. „Zufällig“ begegnen sie sich beim Podestà. Um das ganze Wirrwarr noch unübersichtlicher zu machen, wohnt in diesem Hause auch noch Ramiro, ein ehemaliger Liebhaber von Arminda, der sie noch immer liebt… Dreimal darf jetzt geraten werden, welche Paare sich am Schluss der Oper zusammenfinden!
Komponist Mozart und Librettist Stierle als Vorreiter des Feminismus?
So verworren das auch klingt, erstaunlich feministisch ist doch der Text. Die Männer sind allesamt ziemliche Weichlinge; die Frauen haben das Zepter in der Hand. Die Musik von Mozart ist wunderbar leicht, trägt die Komödie, schlägt aber auch in Ernsthaftigkeit um oder wird poetisch, symphonisch (beim Erwachen der beiden Liebenden Violante und Belfiore z.B.). Obwohl Mozart dieses Werk bereits 1774 komponierte, sind daraus bereits „Figaro“ und „Così“ wie auch „Don Giovanni“ zu erahnen. Librettist Johann Franz Xaver Stierle stellte poetisch der „Giardiniera“ (Gärtnerin) den Herrn Belfiore (Schönblume) zur Seite.
Die ersten beiden Akte enthalten großangelegte, effektvolle Finali. Im zweiten Akt fasst Mozart das Finale mit mehreren vorhergehenden Arien und Rezitativen zu einer großen, die Grenzen der zeitgenössischen Nummernopern sprengenden Szene zusammen.
Auftragskomposition für einen Karneval
Mozart komponierte diese Boulevardkomödie im Alter von grad mal 18 Jahren als Auftragswerk für den Münchner Karneval. An der Scala präsentiert sich die „Giardiniera“ in einer äusserst amüsant, rasanten Inszenierung von Frederic Wake-Walker mit überragenden Stimmen, bei der einem, trotz einer Länge von 3 ½ Stunden, inkl. Pause, nie langweilig wurde, umgesetzt im Bühnenbild von Antony McDonald, der ebenfalls für die Entwürfe der Kostüme zeichnete. Dies in einer Koproduktion mit der Glyndebourne Festival Production. Hanna-Elisabeth Müller als Giardiniera glänzte ebenso wie Annett Fritsch als ihre Konkurrentin. Lucia Cirillo, in der Rolle des Ramiro, dank grossem schauspielerischen Rucksack, eine prädestinierte Mezzosopranistin für „Hosenrollen“, hat sie doch auch die Rolle des Octavian im Rosenkavalier von Richard Strauss in ihrem Repertoire. Auch die andern Protagnistinnen zeigten sich von ihrer besten Seite, unterstützt von einem grossartigen Hausorchester unter der magistralen Leitung des 1958 in Lugano geborenen Diego Fasolis. Eine Opera buffa, wie sie sein muss, ein vergnüglicher Abend mit wunderschöner Musik, einem homogenen Ensemble und einer Inszenierung, die das schwierig umzusetzende Werk zugänglich macht. Das Publikum zeigte sich denn auch beeindruckt und war begeistert, wie sich aus dem langanhaltenden Schlussapplaus schliessen liess.
Kleine Fotodiashow der Produktion:
Link auf Verdis Ernani an der Scala am 25. Oktober 2018
Link auf Stadtrivalenderby Inter Mailand vs. AC Mailand, Giuseppe-Meazza-Stadion Mailand, 21. Oktober 2018, besucht von Léonard Wüst
Link auf Mailandstory Teil 2: Thelonious Sphere „T. S.“ Monk, Jr. Konzert, Leonardo3 Museum usw.
Fotos: Esther Ottiger, Léonard Wüst und
http://www.teatroallascala.org/en/index.html
Text und Fotos : www.leonardwuest.ch
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