Weiterbildung an Gymnasien: Sind Mädchen weniger begabt für Mathematik und Naturwissenschaften?

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Ein mädchengerechter Unterricht soll insbesondere in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern der Luzerner Gymnasien gefördert werden. Die Bilder stammen aus speziellen MINT-Workshops, die kürzlich für Schülerinnen der Kantonsschule Alpenquai durchgeführt wurden. (Fotos: Benno Bühlmann, Kantonsschule Alpenquai Luzern)

An einem gross angelegten Weiterbildungstag setzten sich 200 Lehrpersonen an der Kantonsschule Alpenquai in Luzern mit den aktuellen Herausforderungen eines mädchengerechten Unterrichts auseinander. Diskutiert wurde zum Thema «Mint und Gender». Im Fokus der Tagung vom vergangenen Dienstag standen vor allem die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, in denen eine Sensibilisierung für die Problematik besonders wichtig ist.

Sind Mädchen weniger begabt für Mathematik und Naturwissenschaften? Und Buben von Natur aus technisch interessierter? In der Einleitung zur Tagung wies Aldo Magno, Leiter der Dienststelle Gymnasialbildung des Kantons Luzern, auf die besondere Bedeutung des Themas «MINT und Gender» hin: «Die Thematik ist gesellschaftlich relevant, weil wir im Sinne der Chancengleichheit junge Frauen vermehrt für die exakten Wissenschaften ansprechen wollen.» Der Kanton Luzern habe im Jahr 2012 in seinem «Strategiepapier 2017» unter anderem die Stärkung der MINT-Lernbereiche als vordringlich eingestuft und deshalb verschiedene strukturelle und schulische Massnahmen ins Auge gefasst, so Magno.

Potenzial der Geschlechter besser ausschöpfen
Mehrere Fachleute informierten über aktuelle Erkenntnisse aus der Gender-Forschung und gaben den anwesenden Lehrpersonen vielfältige Anregungen für einen mädchengerechten Unterricht. Laut Prof. Dr. Dorothee Brovelli, Dozentin für Naturwissenschaften und deren Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Luzern, zeigen Studien auch für die Schweiz beträchtliche Leistungs- und Interessenunterschiede zwischen den Geschlechtern auf, die sich im Verlauf der Schulzeit noch vergrössern. Da stelle sich die Frage: Sind Mädchen weniger begabt für Mathematik und Naturwissenschaften? Ist Technik und Informatik für sie uninteressant? Aus der Sicht von Dorothee Brovelli handelt es sich dabei um rhetorische Fragen. Die Leiterin des Spezialisierungsstudiums MINT an der PH Luzern ist überzeugt: Es gibt durchaus Möglichkeiten, beiden Geschlechtern zu helfen, ihr Potenzial besser auszuschöpfen. Vor allem müssten die Lehrpersonen immer wieder dafür sensibilisiert werden, welche Rolle Berufs- und Selbstbilder bei den Geschlechtsdifferenzen spielen. Daraus lassen sich Chancen ableiten, um das Interesse und den Lernerfolg der Mädchen im MINT-Bereich zu fördern.

Persönlichkeit der Lehrperson spielt wichtige Rolle
Auch Ella Stein, die am Literargymnasium Rämibühl in Zürich das Fach Mathematik unterrichtet, ging in ihrem Referat anhand wissenschaftlicher Studien der Frage nach einem gendergerechten Unterrichtsstil auf den Grund: «Die Unterrichtspraxis lehrt uns, dass Schülerinnen und Schüler verschieden lernen und einen unterschiedlichen Zugang zum Lernstoff haben.» Auch die Persönlichkeit der Lehrperson spiele eine wichtige Rolle in der Wissensvermittlung, betont Ella Stein: «Das Ganze wird noch interessanter, wenn es um Mathematikunterricht geht. Denn das Thema Mathematik ist (Gender-)beladen, die gesellschaftliche Meinung zur Mathematik und den Mathematikerinnen ist gemacht und kann nur sehr schwer verändert werden.»
Mit konkreten Übungen und einigen verblüffenden Beispielen aus dem Alltag zeigte sodann die Berner Professorin Elisabeth Grünewald-Huber auf, dass es sich beim Geschlecht um keine starre Eigenschaft, sondern um ein Produkt performativer Tätigkeit handelt: «Es gilt, den eigenen Anteil an der Herstellung von Geschlechtlichkeit zu erkennen.»

Positive Erfahrungen aus der Unterrichtspraxis austauschen
An der Tagung zum Thema «MINT und Gender» ging es nicht nur darum, aktuelle Erkenntnisse aus der Gender-Forschung zu vermitteln. Auch konkrete Erfahrungen aus der Praxis durften bei dieser Weiterbildung nicht fehlen. In unterschiedlichen Ateliers wurden dazu Aufgaben gelöst. Und in einem sogenannten «World Café» hatten die Teilnehmenden zum Abschluss die Möglichkeit, in kleinen und wechselnden Gruppen die wichtigsten Erkenntnisse der Tagung untereinander auszutauschen und den möglichen Transfer in den Unterrichtsalltag zu diskutieren.

Die Weiterbildung wurde komplett aus Mitteln des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG finanziert.

Anhang
Bild 1
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Bildlegende: Ein mädchengerechter Unterricht soll insbesondere in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern der Luzerner Gymnasien gefördert werden. Die Bilder stammen aus speziellen MINT-Workshops, die kürzlich für Schülerinnen der Kantonsschule Alpenquai durchgeführt wurden. (Fotos: Benno Bühlmann, Kantonsschule Alpenquai Luzern)

Ein Video zur Veranstaltung finden Sie auf der Facebook-Seite der Kantonsschule Alpenquai.

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