Zürich (ots) – Wu Tsang (*1982) ist ein US-amerikanischer Künstler, Performer und Filmemacher. Sein multimedial ausgerichtetes Werk fokussiert Erzählformen, in deren Zentrum Fragen der Identitätskonstruktion stehen. Tsang interessiert sich insbesondere auch für die soziopolitischen Dimensionen von Gemeinschaften. Entscheidend inspiriert wird der Künstler durch sein Engagement in der queeren und transsexuellen Szene sowie dem Einwanderer-Milieu von Los Angeles.
Tsang sieht den «Underground» als Ort des kulturellen Widerstands und betont, dass Fantasie eine wichtige Rolle bei der Repräsentation von sozialen Bewegungen spielen kann. So dokumentiert sein mehrfach preisgekrönter Film Wildness (2012) ein legendäres Partylokal in Los Angeles, das in den letzten Jahren ein beliebter Treffpunkt für die lateinamerikanische Transgender-Szene geworden ist. Der Film stellt mit seinem magischen Realismus und den persönlichen Erzählungen sowohl dokumentarische Strategien als auch gesellschaftliche Verhältnisse zur Diskussion. Die erste institutionelle Einzelausstellung von Wu Tsang in Europa bringt Arbeiten aus den Jahren 2008-2014 zusammen.
Tsangs Werk nimmt die seit Beginn der 1990er Jahre neu geführte Diskussion um subversive Strategien auf, mit deren Hilfe sich gängige Normen unterwandern und transformieren lassen. Angestossen wurde diese von Judith Butlers bahnbrechendem Werk Gender Trouble (1990), in dem sie die These aufstellt, dass die sozialen und psychologischen Aspekte des Geschlechts durch eine Art rituelle, unbewusste Wiederholung herrschender Vorstellungen über deren Inhalt ebenso gefestigt wie konstruiert werden und somit durch eine Störung oder Verschiebung dieses performativen Aktes verändert werden können. Tsang unternimmt in seinem Werk verschiedene Versuche solch einer Dekonstruktion. Ein bestimmendes Moment ist die Ausweitung von Butlers strukturellem Ansatz auf sämtliche Formen möglicher Diskriminierung.
Im Rahmen seiner Beschäftigung mit Wildness entstanden mehrere Kurzfilme und Installationen. Von den frühen Arbeiten wird das Video The Shape of a Right Statement (2008) zu sehen sein, in dem Tsang die Fragen danach stellt, wer ein «vollwertiges» Mitglied der Gesellschaft ist und wer darüber entscheidet. Die 16mm-Filmarbeit For how we perceived a life (Take 3) (2012) arbeitet die Dissonanzen heraus, die bei jeder Form von kultureller, gesellschaftlicher oder politischer Repräsentation mitschwingen. In beiden Werken bedient sich Tsang einer Schauspieltechnik, die einen Bruch zwischen der Einheit von Körper und Stimme; Sprechendem und Gesagtem simuliert. Einen zentralen Punkt der Ausstellung stellen zwei Arbeiten dar, die mit den Mitteln des Erzählkinos spielen. Tsangs Videoinstallation DAMELO TODO (Give me Everything) (2010) handelt vom jungen Flüchtling Teódulo Mejía, der mit 15 Jahren von El Salvador nach Los Angeles kommt und dort eine neue Heimat in der Bar Silver Platter findet. Tsang vereint dabei fiktionale mit dokumentarischen Elementen und transformiert das Museum zu einem hybriden Ort, an dem formale, konzeptuelle und physische Bedingungen für die Schaffung von «safe spaces» reflektiert werden. Identitätskonstruktionen im digitalen Zeitalter stehen im Fokus von Tsangs neuester gezeigter Arbeit A day in the life of bliss (2014), die mit der Bildsprache und den Konventionen des Science-Fiction-Genres operiert. In ihr spielt die amerikanische Performancekünstlerin boychild die Hauptrolle.
Die Arbeiten von Wu Tsang wurden in der Tate Modern (London), im Whitney Museum, im Museum of Modern Art und im New Museum (New York), am Institute of Contemporary Art (Philadelphia), im Moca und im Redcat (Los Angeles) gezeigt. 2012 nahm Tsang an der Whitney Biennial und der New Museum Triennial (New York), der Gwangju Biennial (Südkorea) und der Liverpool Biennial (Grossbritannien) teil. Sein Dokumentarfilm Wildness wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grand Jury Prize am Outfest 2012.